Den Bezirk Mitte um unverschuldete Haushaltsrisiken entlasten

Entschließung der BVV am 21.09.2023

Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat am 21. September den Haushaltsplanentwurf 2024/ 2025 beschlossen. Dieser Beschluss ist mit großen Sorgen und Zweifeln erfolgt, denn der Haushaltsplanentwurf enthält große Haushaltsrisiken, die die organisatorische und personelle Handlungsfähigkeit des Bezirksamts, seine Attraktivität als Arbeitgeber, vor allem aber die Erfüllung der Daseinsvorsorge, seiner sozialen Aufgaben und einen fairen Umgang mit den vom Bezirksamt beauftragten Trägern erschweren und teilweise unmöglich machen.

Die BVV Mitte verkennt nicht, dass das bezirkliche Handeln in seiner Effizienz und Stringenz verbessert werden muss, um die in den Budgetergebnissen der Kosten- und Leistungsrechnung deutlich werdenden Defizite abzubauen.

Die vom Senat zur Verfügung gestellten Mittel berücksichtigen aber wesentliche und vom Bezirksamt nicht zu beeinflussende Mehrausgaben und Mindereinnahmen nicht. Wir bitten daher die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses um Prüfung der nachfolgenden Sachverhalte und vertrauen auf einen fairen Umgang des Haushaltsgesetzgebers mit den sich ergebenden Mehrbedarfen für unseren Bezirk.

1. Mietkosten für die Auslagerung der Anna-Lindh-Grundschule in Höhe von 5,5 Mio. Euro
Die Senatsverwaltung für Finanzen und der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hatte im Jahr 2022 der Anmietung eines Ersatzgebäudes für Mittes größte Grundschule zugestimmt, da die in den 50er Jahren errichteten Gebäudeteile der Anna-Lindh-Grundschule trotz mehrfacher Schimmelsanierung konstruktionsbedingt irreparabel beschädigt waren und ein regulärer Unterricht und eine den gesundheitlichen Anforderungen von Kindern entsprechende Unterrichtsumgebung nicht mehr hergestellt wurde. Aufgrund der vollständigen Auslastung aller Grundschulen im Bezirk musste ein Gebäude angemietet werden, das ortsnah war, eine komplette Auslagerung der Schule möglich machte sowie die notwendigen Freiflächen aufwies. Dies gelang nur zu sehr hohen Kosten, die im Jahr 2022 und 2023 vom Land übernommen wurden. In den Folgejahren sollen nun diese Kosten ausschließlich vom Bezirk getragen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass noch immer keine Entscheidung der Oberen Denkmalschutzbehörde vorliegt, ob das Bestandsgebäude durch einen Neubau ersetzt werden kann oder ob ein deutlich kostenintensiverer Versuch einer Sanierung unternommen werden muss, was im ähnlich gelagerten Fall der Charlotte-Pfeffer-Schule zu einer Verdreifachung der Bauzeit und -kosten führen würde. Die verzögerte Entscheidung über Sanierung oder Neubau der Anna-Lindh-Grundschule hat bereits Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht.

2. Unerreichbare Einnahmevorgaben bei Baugenehmigungen und Sondernutzungsgebühren mit einem Haushaltsrisiko von mindestens 5,5 Mio. Euro
Auch wenn die Einnahmevorgabe der Senatsfinanzverwaltung im Bereich E03 alle Gebührentatbestände umfasst, speisen diese sich im Bezirk Mitte hauptsächlich aus den Gebühren für die Sondernutzung öffentlicher Straßen sowie die Gebühren im Bauwesen. Die Einnahmevorgaben der Senatsverwaltung für Finanzen zwingen die BVV angesichts der deutlich zurückgehenden Bautätigkeit völlig unrealistische Einnahmeerwartungen zu beschließen, um überhaupt einen haushaltsrechtlich konformen Haushalt aufstellen zu können. Sowohl die Ist-Einnahmen in 2022 als auch die auf den Einnahmen zum Stand 08/ 2023 erstellten Prognosen lassen aber für die kommenden Jahre nur Einnahmen erwarten, die um 5,5 Mio. Euro unter den im Haushalt 24/ 25 veranschlagten 15,4 Mio. Euro liegen.

3. Völlig unzureichende Berücksichtigung der Kostensteigerungen für Sachmittel und Dienstleistungen in Höhe von nur 2 Prozent mit einem Haushaltsrisiko von mindestens 1 Mio. Euro
Die Finanzzuweisung des Senates geht davon aus, dass die Kosten für Sachmittel und Dienstleistungen im Jahr 2024 und 2025 nur zwei Prozent über den Preisen im Jahr 2022 liegen. Diese Annahme ist nicht nur vor dem Hintergrund der allgemeinen inflationsbedingten Preisentwicklung unrealistisch, sondern durch aktuelle Ausschreibungen für unterschiedliche Sachmittel sowie Transport- und Sicherheitsdienstleistungen bereits nachweisbar widerlegt. Das damit verbundene Kostenrisiko liegt bei mindestens einer Million Euro.

4. Fehlende Mittel für Tarifangleichung der Beschäftigten bei Freien Trägern
In der Vergangenheit konnte der Bezirk die unzureichende Berücksichtigung der Tarifsteigerungen für die Beschäftigten bei Freien Trägern in der Finanzzuweisung des Senates dank der guten Haushaltslage durch eigene Mittel kompensieren. Für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 sind in der Finanzzuweisung aber überhaupt keine Mittel vorhanden, um Tarifsteigerungen für die Beschäftigten bei Freien Träger zu berücksichtigen, die für die Menschen in unserem Bezirk unverzichtbare Arbeit leisten. Auch der Bezirk hat keinerlei Möglichkeit, die nachgewiesenen Mehrkosten der Träger auch nur teilweise zu finanzieren, obwohl darauf nicht nur ein moralischer, sondern im Bereich der Jugendhilfe auch ein rechtlicher Anspruch besteht. Bezirksamt und Träger stehen somit vor dem nicht akzeptablen Dilemma, entweder gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen oder empfindliche Leistungseinschränkungen zu akzeptieren. Der Mehrbedarf für die Tarifanpassungen im Bereich der Freien Träger beträgt in Mitte mindestens 1,3 Mio. Euro.

Uns ist bewusst, dass von den Bezirksverordnetenversammlungen erwartet wird, dass sie knappen finanziellen Ressourcen mit mutigen Schwerpunktsetzungen im Haushalt begegnen und dass Unwuchten im Haushalt im Rahmen der Haushaltswirtschaft teilweise geglättet werden können. Aber allein die hier genannten – und vom Bezirk nicht zu verantwortenden – Haushaltsrisiken von mehr als 13 Millionen Euro zeigen, dass dieses Vorgehen für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 nicht trägt, zumal der Bezirk mit mehr als 11 Mio. Euro den zulässigen Spielraum für die Veranschlagung an Pauschalen Minderausgaben erstmalig seit vielen Jahren komplett ausschöpfen musste. Ein den vielen Aufgaben des Bezirks Mitte nur annähernd entsprechender Haushalt bedarf zusätzlicher finanzieller Mittel.

Wir bitten die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses daher eindringlich um eine faire Prüfung unserer Argumente und um zusätzlichen finanziellen Spielraum, um die Bezirksverwaltung arbeitsfähig zu halten und den multiplen Problemlagen in unserem Bezirk weiterhin verantwortlich begegnen zu können.